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Grußwort Bischof Stäblein

Bischof Dr. Christian Stäblein (Foto: S. Würst)
Bischof Dr. Christian Stäblein (Foto: S. Würst)

Jahreslosung 2024

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

1. Korinther 16, 14

 

In drei Monaten geht’s los: Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. 24 Nationen, 10 Austragungsorte. Und, so höre ich hier und dort, die Hoffnung auf ein neues Sommermärchen. Schön wär’s ja! Nun: Schön wird’s hoffentlich. Aber was hat den Sommer 2006 so märchenhaft gemacht? Der Spaß am Gewinnen war sicher ein Faktor. Die gute Stimmung im Land war allerdings noch wichtiger. So entspannt, so fröhlich emotional – Deutschland fühlte sich an wie von sich selbst überrascht.

Wie sieht es 18 Jahre später aus? Die Pandemie und die gegenwärtigen Krisen und Kriege haben uns verändert. Erschüttern unsere Welt. Bei Debatten, auch in der Kirche, sind die Zündschnüre für Empörungen kürzer geworden. Es fällt uns trotz anders lautender Beteuerungen nicht mehr so leicht, ehrlich andere Meinungen auszuhalten. Die Empörungsbereitschaft ist schnell hoch, die Blasen der Kommunikation, in denen ich nur noch höre, was ich hören will, sind oft längst geschlossen. – Wie da die Leichtigkeit von einst wiedergewinnen?

 

Die Gesellschaft, auch der Deutsche Fußballbund, reagieren mit Kampagnen: Respekt. Fair-Play. Gemeinsam gegen Rassismus. "Together! Stop hate. Be a team". Die Kampagnen sind mal mehr, mal weniger erfolgreich, denkt man etwa an das Spiel zwischen Köln und Leipzig am 26. Spieltag oder an die Regenbogenfahne in Katar. Die guten kirchlichen Kampagnen hören sich durchaus ähnlich an: „Liebe tut der Seele gut“ oder „Hass schadet der Seele“ – oder, gerade in diesem Jahr wichtig: „Brandenburg zeigt Haltung“, „#zusammen streiten“. Alle haben die gleiche Intention: Eine Haltung auszudrücken, die ich bewahre, auch wenn mir die Meinung der andern eine Anfechtung ist. Eine Haltung des Respekts, des fairen Umgangs, des Streits, der in meinem Gegenüber einen Menschen erkennt, der wie ich Kind Gottes ist.

 

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“

 

Die Jahreslosung 2024 klingt fast wie eine moderne Kampagne. Der Apostel Paulus schreibt sie vor knapp 2000 Jahren an „seine“ Gemeinde in Korinth mit ähnlicher Intention. Es hatte gekracht zwischen ihm und den Menschen in Korinth – über Fragen des gemeinsamen Mahles und in Auseinandersetzung um die richtige Leitung der Gemeinde. Was beim ersten Anhören also fast floskelhaft klingt, bekommt vor diesem Hintergrund tiefere Bedeutung. Denn nur, wo das gilt: „alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“, kann man auch richtig gut streiten. Oder umgekehrt: Wer richtig ­streitet, sollte das in Liebe – also Achtung, Wertschätzung – tun.

 

Damit der Fußball-Sommer einen Hauch von Märchen bekommen kann, braucht es auf jeden Fall das: Fair play im Kampf um den Pokal. Fair play unter den mitgereisten Fans und beim Public viewing. Konstruktiv – mit Respekt und gegenseitiger Achtung. Mich und dich in Gottes Licht sehen. Das ist die Liebe, die Paulus meint, wenn er sagt: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. Die Grenzen des und der anderen wahren. Das ist mir wichtig. Wir wissen inzwischen, wie oft auch in unserer Kirche Grenzen von Menschen nicht gewahrt wurden und Menschen auf furchtbarste Weise sexualisierte Gewalt erfahren haben.

 

In der Ursprache klingt ein bib­lischer Vers oft noch radikaler als in seiner deutschen Übersetzung. ­Unsere Jahreslosung lautet da ganz wörtlich übersetzt: Alles bei euch geschehe in Liebe. Also nicht nur das Tun, auch das Hören, auch das Dasein. Ich denke deshalb: vielleicht weniger Kampagne, dafür mehr Zutrauen. Hören, einfach da sein ist manchmal genug. Zeit haben, sich freuen an der Zauberei auf dem Platz, die oft so wunderbar grandios kommentiert wird. Mit Sprachwitz und Leichtfüßigkeit und so herrlichen Worten wie „Zuckerpass“ oder „aus 20 Metern schlenzt er die Murmel knapp am langen Eck vorbei.….“.

 

Sommermärchen. Schon bei solchen Worten blitzt es auf: Kann man nicht „machen“, also kann man nicht garantiert einfach mal herstellen. Passiert einfach, gewiss. Vielleicht werden wir ja noch mal von uns selbst überrascht. Und noch öfter von dem, der alle Liebe schenkt. Und das, was wir aus ihr tun.

 

Ein gesegnetes Jahr 2024 wünsche ich Ihnen.

Bischof Dr. Christian Stäblein